AFGHANISTAN – Die Spezialisten

13. November 2013

Eine Sondereinheit der afghanischen Polizei weist den Weg für die Sicherheitskräfte im Land

— Von John Dyfed Loesche —

Laute Rufe schallen aus dem Inneren des grauen Containers in sechs Metern Höhe. Die Schiebetür an der Seite des Containers fliegt auf. Ein schwarzes Seil wird heraus geworfen. Soldaten in beigen Kampfanzügen, mit Sonnenbrillen und Kalaschnikow seilen sich ab, laufen ein paar Schritte, knien sich hin und sichern das Gelände in alle Richtungen.

Der Trupp aus zehn Mann gehört zu einer paramilitärischen Spezialeinheit der afghanischen Polizei. Der Container soll einen Hubschrauber darstellen, aus dem sie sich im Ernstfall abseilen. Die Sondereinheit ist dem Direktorat der Spezialeinheiten der Polizei (GDPSU) unterstellt. Die Afghanen zwischen 18 und 30 Jahren werden von Schweden und Briten ausgebildet und sind die Speerspitze der afghanischen Polizei.

Sie würden bei Terroranschlägen, Geiselnahmen und gegen Drogenhändler eingesetzt, erklärt der Chef der Einheit, Brigadegeneral Sajed Mohammad im Hauptquartier in Kabul. Seine Einheit sei in 19 der insgesamt 34 Provinzen Afghanistans stationiert. Die Truppe sei vor neun Jahren gegründet worden und mittlerweile fähig, selbstständig, ohne die Teilnahme von ausländischen Spezialkräften, Aktionen zu bestreiten.

Die Prüfung

Im Juni rückte das Krisenreaktionsteam zum Ernstfall aus. Kämpfer der Taliban überfielen ein Hotel an dem idyllischen See Kargha in der Nähe der Hauptstadt, wohin viele afghanische Familien zu Tagesausflügen aufbrechen. Die Angreifer erschossen das Sicherheitspersonal und eröffneten dann das Feuer auf die Gäste. Über Stunden lieferten sie sich Gefechte mit der Polizei, bis die Spezialeinheit eingriff.

Insgesamt kamen 18 Menschen um, darunter acht Angreifer. 40 Gäste überlebten. Keiner seiner Männer sei bei der Kommandoaktion verletzt worden, sagt Brigadegeneral Mohammad. Sie hätten die Aktion allein durchgeführt, ohne Eingreifen der NATO-Partner. Mi einer Ausnahme: Sie wurden an Bord von Hubschraubern der Schutztruppe ISAF zum Einsatzort geflogen.

Wenn die ISAF-Mission nach Abzug aller Kampftruppen endet, sollen die afghanischen Sicherheitskräfte die Verantwortung für ganz Afghanistan übernehmen. Nicht zuletzt wegen der Arbeit der GDPSU ist sich der Sprecher des afghanischen Innenministeriums Seddik Seddiki sicher, dass die Sicherheitskräfte nach 2014 ihre Aufgabe meistern werden.

Garant der Sicherheit

Der Erfolg der Spezialisten, deren genaue Zahl der Brigadegeneral nicht preisgeben will, ist ein Lichtblick. Um das Gros der Polizisten, deren Ränge in kürzester Zeit auf 157.000 aufgestockt wurden, steht es jedoch schlechter. Sie aber werden nach der Übernahme der Sicherheitsverantwortung Ende 2014 zusammen mit den Soldaten der Afghanischen Nationalarmee ANA der wichtigste Garant für die Sicherheit im Land sein.

Sie seien vielleicht wichtiger als die Streitkräfte, erklärt Sprecher Seddiki. Davon zeuge, dass mehr Anschläge auf Polizisten verübt würden. Erst am Montag griffen 14 Selbstmordattentäter das Polizeihauptquartier der Afghanischen Nationalpolizei ANP in der Hauptstadt der Provinz Kandahar im Süden des Landes an. Ein Grund für die Angriffe sei, dass die Polizei im Vergleich zu den Soldaten der ANA präsenter sei. Die ANP verfüge über 5.000 Stützpunkte, während die ANA sich auf 2.000 Stützpunkte konzentriere.

Bildungslücken

Ein großes Problem sei jedoch der Bildungsstand der Polizisten, räumt Seddiki ein. Bis zu 75 Prozent gelten als Analphabeten. Die Polizei haben inzwischen eigens für ihre Rekruten Pflichtunterricht im Schreiben und Lesen eingeführt. Demnach stimme zwar die Zahl der Polizisten, allerdings müsse nun in Qualität investiert werden, erklärt Seddiki.

Noch verblieben zwei Jahre, bis die ISAF abziehe. „Die Taliban werden nicht wieder die Macht übernehmen“, ist sich Seddiki sicher. Auch wenn es im Osten des Landes einzelne Bezirke gebe, wo die Zentralregierung nicht präsent sei, werde faktisch keine afghanische Provinz von den Taliban kontrolliert.

Dieser Text wurde ursprünglich im Juli 2012 von der dapd veröffentlicht.

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