IRAN – „Der Iran hat das Recht auf Anreicherung“

28. November 2013

Interview mit Oliver Schmidt von der deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik

— Von John Dyfed Loesche —

Anlässlich des Besuchs einer Delegation der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) im Iran am Wochenende führte die Nachrichtenagentur dapd ein Interview mit dem Experten Oliver Schmidt von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik über das iranische Atomprogramm. Das Land hat zwar ein Recht auf Urananreicherung zur friedlichen Nutzung der Kernenergie, doch Schmidt ist überzeugt, dass der Iran die Bombe anstrebt. Er kommt zu dem Schluss, dass die neuesten Sanktionen das Programm wahrscheinlich nicht stoppen werden.

Wie glaubwürdig ist es, dass der Iran ausschließlich die friedliche Nutzung der Atomenergie anstrebt?

Das ist nicht glaubwürdig. Die eigentliche Frage lautet: Baut der Iran eine Bombe, oder will der Iran die technischen Voraussetzungen schaffen, um zu einem Zeitpunkt seiner Wahl, die Bombe bauen zu können. Ich glaube Letzteres. Es geht darum, dass die technischen Voraussetzungen geschaffen werden, dass die Trägersysteme vorhanden sind.

Der Iran besteht darauf, Uran selbst anzureichern. Ist das ein Indiz dafür, dass es um die militärische Nutzung geht?

Für den Betrieb von Kernkraftwerken braucht man einen Anreicherungsgrad von etwa drei Prozent. Vor Kurzem behauptete der Iran, er bräuchte für den Betrieb eines Forschungsreaktors eine Anreicherung von 20 Prozent. Für den Waffenbau braucht man 90 Prozent. Die Technologie ist für alle Anreicherungsgrade die gleiche. Der Iran hat das Recht auf Anreicherung und darauf, die Kernenergie friedlich zu nutzen. Aber was macht der Iran mit der großen Menge an gering angereichertem Uran? Die Kraftwerke, die anlaufen, brauchen diese Mengen nicht. Der Iran verkürzt die Zeit bis zur Fertigstellung einer kritischen Masse hoch angereicherten Urans.

Ist es aus realpolitischer Sicht nicht nachvollziehbar, dass der Iran eine Bombe haben will?

Aus westlicher Sicht natürlich nicht. Aus iranischem Kalkül heraus kann es Sinn machen, etwa wegen sicherheitspolitischer Interessen. Der Iran war als Teil der „Achse des Bösen“ gelistet und musste eine Intervention wie im Irak oder Libyen fürchten. Auch die Frage der regionalen Vorherrschaft spielt mit hinein. Saudi-Arabien ist der Gegenspieler, auch Ägypten vor der Revolution, ein Stück weit auch die Türkei. Außerdem könnte der Iran Israel die Stirn bieten und sich zur Schutzmacht der islamischen Länder der Region erklären.

Ist es richtig, dass Anlagen, die der IAEA vom Iran nicht gemeldet werden, nicht inspizieren werden können?

Die dürfen nicht inspiziert werden. Der Iran hat Zusatzprotokolle mit der IAEA abgeschlossen. Ein Protokoll räumte der IAEA mehr Rechte ein, zwar nicht alles zu inspizieren, jedoch kurzfristiger Anlagen zu besichtigen. Das Protokoll ist nicht mehr in Kraft. Die Möglichkeiten der IAEA herauszufinden, was passiert oder zu sehen, was sie sehen will, sind sehr begrenzt.

Warum tritt der Iran nicht aus dem Atomwaffensperrvertrag aus, so wie es Nordkorea getan hat?

Ich nehme an, dass in dem Fall niemand mehr an den Ambitionen des Iran zweifeln würde. Der Iran geht wahrscheinlich davon aus, dass sich die Sanktionen dann noch weiter zuspitzen würden, weil dann auch China und Russland zugestehen müssten, dass da Einiges im Argen liegt.

Wie hilfreich sind Sanktionen, um den Iran davon abzubringen, eine Bombe zu bauen?

Der Einfluss von Sanktionen ist umstritten. Natürlich erhöhen sich für den Iran die politischen und wirtschaftlichen Kosten, wenn die EU kein Öl mehr importiert und der Iran deswegen weniger Devisen einnimmt. Aber es gibt andere Wachstumsmärkte, die das auffangen könnten. Da wird eine klassische Kosten-Nutzen-Rechnung aufgestellt. Was kann der Iran dadurch gewinnen, dass das Atom- und Raketenprogramm fortgesetzt wird und was sind die aktuellen Kosten? Diese Sanktionsrunde ist voraussichtlich nicht ausreichend, um den Iran zum Einlenken zu bewegen.

 

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